27. November 2023

Mehrwertsteuer: Vorsteuerkürzungen bei Gemeinwesen

Aufgrund einer breiten Auslegung des Subventionsbegriffs durch die Eidgenössische Steuerverwaltung («ESTV») wurde die Vorsteuerabzugsberechtigung bei Gemeinwesen in vielen Fällen stark eingeschränkt. Dadurch bestanden für Gemeinwesen nur geringe mehrwertsteuerliche Anreize, nach der effektiven Methode abzurechnen oder sich freiwillig der Mehrwertsteuer («MWST») zu unterstellen. Durch die neuere Rechtsprechung könnte sich dies nun ändern.

Vorsteuerkürzungen Gemeinwesen

Mehrwertsteuerliche Grundlagen
Neben den hoheitlichen Tätigkeiten können Gemeinwesen auch steuerbare, unternehmerische Tätigkeiten ausüben. Typische Beispiele dafür sind die Lieferung von Elektrizität, die Beförderung von Personen oder der Betrieb von Sportanlagen wie Badeanstalten oder Kunsteisbahnen. Werden definierte Umsatzgrenzen überschritten, führt dies zu einer obligatorischen MWST-Pflicht. Steuerpflichtig werden die einzelnen autonomen Dienststellen von Bund, Kantonen und Gemeinden, wobei sich die Definition der Dienststellen für Zwecke der MWST nach dem organisatorischen Aufbau des Gemeinwesens richtet.

Mit der MWST-Pflicht stellt sich auch immer die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung. Diese Thematik ist bei Privatbetrieben und Gemeinwesen grundsätzlich gleich geregelt. So darf ein mehrwertsteuerpflichtiges Gemeinwesen die bezahlte MWST auf gekauften Gegenständen und Dienstleistungen vollumfänglich als Vorsteuer zurückfordern, sofern es diese Gegenstände und Dienstleistungen ausschliesslich im Rahmen seiner steuerbaren, unternehmerischen Tätigkeit verwendet. Deckt ein mehrwertsteuerpflichtiges Gemeinwesen diese Ausgaben jedoch teilweise durch nicht steuerbare Einnahmen (hoheitliche Tätigkeit, von der Steuer ausgenommene Leistungen, Subventionen usw.), hat es seinen Vorsteuerabzug anteilsmässig zu kürzen.

In der Praxis weisen mehrwertsteuerpflichtige Dienststellen des Gemeinwesens häufig ein strukturelles Defizit auf. Dieses Defizit wird durch das eigene Gemeinwesen oftmals mit allgemeinen Steuereinnahmen gedeckt. Die ESTV qualifizierte diese Defizitdeckung als Subvention im Sinne des MWST-Gesetzes, was eine anteilsmässige Kürzung des Vorsteuerabzugs zur Folge hatte. Dies führte wiederum dazu, dass manche Dienststellen auf eine Abrechnung der MWST nach der effektiven Methode verzichteten und stattdessen die vereinfachte Abrechnungsmethode mit Pauschalsteuersätzen anwendeten. Die geschuldete Steuer wird bei Anwendung dieser Methode mittels Multiplikation des Umsatzes (inkl. MWST) mit dem von der ESTV bewilligten Pauschalsteuersatz berechnet. Folglich müssen bei dieser Methode keine Vorsteuerkürzungen berechnet werden.

Bundesgerichtsurteile vom 22.11.2022 (2C_2/2022)2 und vom 03.04.2023 (9C_736/2022)3
In einem aktuellen Entscheid musste das Bundesgericht beurteilen, ob die Praxis der ESTV in Bezug auf die Subventionen innerhalb des Gemeinwesens rechtens ist. Es entschied, dass die gemeindeinterne Finanzierung durch allgemeine Mittel (d. h. Steuergelder) nicht als Subvention für Zwecke der MWST qualifiziert. Das Bundesgericht stellte generell fest, dass Mittelflüsse innerhalb desselben Gemeinwesens keine Subventionen darstellen können. Folglich können solche Mittelflüsse auch nicht zu Vorsteuerkürzungen führen. In einem Folgeurteil stellte das Bundesgericht zudem klar, dass dieser Grundsatz sowohl bei nicht spezialfinanzierten Dienststellen als auch bei spezialfinanzierten Dienststellen anwendbar ist.

Lesen Sie das Fazit und den gesamten Artikel bequem als PDF. Steuerexperte Benjamin Trunz unterstützt Sie bei Fragen zu dieser Analyse oder bei der Deklaration der zusätzlichen Vorsteuer. Selbstverständlich steht er Ihnen auch für alle anderen Steueranliegen mit Rat und Tat zur Seite.

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